Der Zeitungsleser

Vom Ururgroßvater Joseph Dunkel kenne ich die Lebensdaten ( 1824 – 1902) und weitere Eckdaten seiner Biographie. Doch was dachte er, was bewegte ihn, was glaubte er, was gärte in ihm, was war seine Einstellung zur politischen Entwicklung in bewegter Zeit (Revolutionsjahr 1848, preußisch-österreichischer Krieg von 1866, Reichsgründung 1871)? Ein Schlüssel, der ihn und seine geistige Entwicklung verstehen hilft, ist seine Lektüre von Zeitungen und ihrer belletristisch-unterhaltenden Beilagen.

Über die Ereignisse der Revolutions- und Reaktionsjahre nach 1848 informierte Joseph Dunkel sich eifrig anhand verschiedener Zeitungsblätter. Das Geschehen in und um die deutschen Lande verfolgte er aufmerksam mit einer national-liberalen Grundeinstellung. Verschiedene Tageszeitungen bzw. ihre Beilagen waren ständig von ihm abonniert. Die Beilagen, die damals sehr in Mode und geschätzt waren, wurden in Jahrgangsbände gebunden. Die Einbände stammen vom Bruder Eduard Dunkel, der in Brückenau Buchbinder war. Etlich Jahrgänge von 1837 bis 1875 sind erhalten geblieben:

  • „Frankfurter Konversationsblatt“
  • „Fränkisches Unterhaltungsblatt“
  • „Fränkisches Conversationsblatt“
  • „Erheiterungen“
  • „Der Sammler“

Aber auch

  • „Der bayerische Eilbote“
  • „Des Lahrer hinkenden Boten“
  • „Würzburger Journal-Sibylle“
  • „Das Familienblatt“

waren wohl abonniert gewesen. Interessant an den Beilagen ist die Mischung aus Fortsetzungsromanen, aktuellen Berichten von Korrespondenten aus aller Welt, populär zusammengefassten Erkenntnissen verschiedener Disziplinen der Wissenschaft, Gedichten, Humoristischem etc.

Joseph Dunkels Gedicht "Eva"
Joseph Dunkels Gedicht „Eva“

Zur Information und zur Unterhaltung hielt sich bereits Josephs Vater Kaspar Dunkel einige Zeitschriften, was eine teure, aber richtige Investition in jener Zeit war. Ein erhalten gebliebener, gebundener Jahrgang des „Frankfurter Conversationsblattes 1837“ erinnert an die abendliche Lesestunde bei Kerzenlicht in der Wohnstube.

Warum Joseph Dunkel die Umschlagseiten einiger Jahrgangsbände nutzte, um darin mit Tinte oder Bleistift Gedichte niederzuschreiben, bleibt offen. Papiermangel kann es in einer Papiermacherfamilie nicht gewesen sein. Eher vielleicht der Drang, nicht nur lesend aufzunehmen, sondern poetisch kreativ zu verarbeiten. Vielleicht auch, um den Gedichte im Einband Dauer zu verleihen.