Kaspar Gartenhof

Mein Vater hat mir öfter von Kaspar Gartenhof (* 27.05.1883 in  Brückenau, † 03.11.1952 in Würzburg) erzählt, der als  Studienrat 1940/41 sein  Deutschlehrer in der Würzburger Aufbauschule  war.  Er bezeichnete ihn als väterlichen Freund, der zugleich Anverwandter der Familie Dunkel war. Im Bücherschrank meines Vaters fand ich auch die posthum veröffentlichten „Rhön-Erinnerungen“, die eine Autobiografie Gartenhofs über seine Kindheit und Jugend darstellen .

Bedeutung Gartenhofs für Römershag

Der Gymnasiallehrer Dr.  Gartenhof war zugleich Heimatforscher, der vor allem mit Veröffentlichungen zur Geschichte seiner Heimatstadt Brückenau hervortrat, so u.a. zur Geschichte des Bades, der Pfarrei, des Schulwesens und des Gesundheitswesens. Etliche Manuskripte Gartenhofs liegen heute im  Bad Brückenauer Stadtarchiv, das Jan Marberg und Roland Heinlein betreuen.  Als Chronist Brückenaus hat Dr. Gartenhof auch Arbeiten zu Römershag vorgelegt. Als Nebenprodukt seiner Forschungen zum Bad Brückenau kann seine Veröffentlichung zur Krugbäckerei in Römershag angesehen werden. (Kaspar Gartenhof: Die Krugbäckerei in Römershag.  Zur Geschichte einer untergegangenen Rhönindustrie. In: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst,5/1953, Würzburg 1953. S  180 – 207.) Dabei deckt er die Zeit von 1747 bis in die 1880er Jahre ab.

Weiter zurück in die Geschichte des Ortes reicht ein Manuskript Gartenhofs, in dem er das peinlich beachtete Übergabezeremoniell beschreibt, das beim Kauf des Rittergutes Römershag durch das Stift Fulda  1692 Anwendung fand. (Kaspar Gartenhof; Christoph Weber: Der Übergang der Tannschen Herrschaft Römershag an das Stift Fulda. In: Fuldaer Geschichtsblätter, Band 30 (1954), S. 114 – 127.) Das Manuskript wurde von Christoph Weber in den Geschichtsblättern veröffentlicht, weil es sich um Auszüge aus Akten des Staatsarchivs Würzburg handelt. „Da die Originale durch die Fliegerangriffe im Frühjahr 1945 mit dem Staatsarchiv vernichtet wurden, besitzen die Auszüge Quellenwert.“ (a.a.O. S. 114, Anm. 1) Die zum Rittergut gehörenden Schneidmühle ist m. E. zweifach erwähnt. Im Zusammenhang mit der Inbesitznahme aller Wiesen und der zugehörigen Gewässer ist von der „langen Scheuer“ (a.a.O. S. 123) die Rede, was auf die ursprüngliche Funktion als Zehntscheune verweist.  Gleichwohl ist sie auch als Schneidmühle genannt, sowohl in der Inventarliste (a.a.O. S. 117) als auch beim Übergabezeremoniell (a.a.O. S. 124).

Bezug Gartenhofs zur Familie Dunkel

Stammbaum mit Anverwandten K. Gartenhof
Stammbaum mit Anverwandten K. Gartenhof

Laut mündlicher Überlieferung über meine Großmutter Carola, geb. Dunkel, war Kaspar Gartenhof während seiner Studienjahre in München zunächst eng befreundet mit Alwine Dörflinger, wohnhaft in Brückenau, Untermang, Alwine war Tochter der Regina Mau, verwitwete Dörflinger, und Enkelin von Joseph Dunkel (1824 – 1902). Während seiner Ausbildung zum Lehrer in Würzburg wohnte Gartenhof auf Empfehlung von Regina Mau bei deren Schwester Maria Schmäling in der Hüttenstr. 18 im „grünen Zimmer“. Dabei lernte er die Tochter Regina, genannt Ines Schmäling, eine Cousine zu Alwine, kennen. Schließlich entschied sich Kaspar Gartenhof für die Klavierlehrerin Ines, die er 1912 heiratete. Über diese Enkelin Joseph Dunkels wurde Gartenhof zum „Anverwandten“ der Dunkels. Alwine Dörflinger heiratete nach langer vergeblicher Wartezeit in das Kaufhaus Josef Förg in Brückenau ein.

Gartenhofs Rhön-Erinnerungen

Gartenhof Rhön-Erinnerungen
Gartenhof Rhön-Erinnerungen

Anders als der von den Herausgebern gewählte Titel nahelegt, sammelt der Band nicht nur Heimaterinnerungen des in Bad Brückenau geborenen Gartenhof, sondern zeichnet autobiografisch seinen Werdegang bis zum 20. Lebensjahr, mithin ist er ein Zeitzeugnis für die Jahre 1883 bis 1903. Mir liegt die zweite, verbesserte Auflage von 1976 des im Verlag J.G. Bläschke, Darmstadt veröffentlichten Bandes mit 561 Seiten vor. Die Herausgeber, Franz Gößwein und Otto Strykowski aus Würzburg, haben 1973 eine erste Auflage mit einem zweiseitigen Vorwort versehen und unter dem Titel „Rhönerinnerungen“ veröffentlicht. Es handelt sich um eine Sammlung aus dem Nachlass von Dr. Kaspar Gartenhof. Sowohl thematisch wie stilistisch erscheint sie als nicht einheitliche Zusammenstellung. Das Buch lässt sich, wie von den Herausgebern im Vorwort angeregt, lesen als detailverliebte Heimatkunde und als exemplarische Kindheit eines Rhöners um 1900. Dazu passt auch ihr Titel. Gartenhofs Schilderungen von Bad Brückenau und Umgebung, aber auch von Münnerstadt sind eindringlich.

Gleichzeitig zeichnen die Erinnerungen ein feinsinniges Psychogramm. Gartenhof beschreibt seine innere Heimat, die zunächst der katholische Glaube darstellt, in den er über seine Mutter hineinwächst. Und er skizziert seine schrittweise Ablösung von diesem überkommenen Glauben. Gleichzeitig erwächst ihm dank der Gymnasialzeit in Münnerstadt eine neue Heimat, das Land der Dichtung. Doch zahlt er einen hohen Preis für den Zugang zu den neuen Bildungserfahrungen. Als Kind aus ärmsten Verhältnissen bekommt er finanzielle Unterstützung Dritter nur wegen der Aussicht, dass er Augustinerpater oder zumindest Weltpriester würde. Sein Ringen mit seinem Gewissen, mit Gott legt Gartenhof im Rhythmus von Internatsaufenthalt und jährlichen Ferien als Reifungs- und Klärungsgeschichte eines Jugendlichen an, die jeden mitnehmen muss, der um große Lebens-, Berufs- und Berufungsfragen gerungen hat. Als er weiß, dass er niemals Pater oder Priester werden wird, und gewahr wird, dass er den Glauben an kirchliche Lehrsätze auf Autorität hin aus Kindheitstagen gegen einen Gott-Natur-Gefühl-Glauben eingetauscht hat, wie er ihm bei den Dichtern Goethe, Klopstock, Lessing und Jean Paul begegnet, wahrt er dennoch die äußere Form, um zum Gymnasialabschluss zu gelangen.
Gartenhofs Erörterungen, warum nur die Wohlhabenden sich den Zugang zur Geisteswelt und den Genuss von Dichtung und Kunst leisten können, während die Welt der höheren Bildung den Armen verschlossen bleibt, trägt zwar die Zeitsignatur der armen Rhön um 1900, ist aber in der grundsätzlichen Fragestellung der Milieuabhängigkeit des Bildungszugangs nach wie vor aktuell. Gartenhof fragt sich in letzter Konsequenz, ob die von der Kirche und seiner Mutter abgelehnten Ideen eines Liebknechts und Bebels nicht doch die richtigen seien, um eine andere Verteilung materieller und geistiger Reichtümer zu erzielen. Auch in diesem Bekenntnis zum Sozialismus gibt seine Lebenserinnerung Zeugnis für eine der Grundfragen von Heranwachsenden jeder Generation, der Frage nach der Gerechtigkeit.
Freimütig offen beschreibt Gartenhof, der sich selbst als sehr sinnlichen Menschen skizziert, auch die verschiedenen Phasen der Sexualität, beginnend mit den kindlichen Spielen des Vierjährigen in der sog. Kinderbewahranstalt über das Erwachen des Triebes in der Pubertät, über homoerotische Versuche und Versuchungen im Internat zu den ersten Liebesbegegnungen mit Mädchen. In jeder der Phase wird zugleich die Gefährdung des Heranwachsenden durch Übergriffe angedeutet, nicht zuletzt durch das kirchliche Personal. So sind Gartenhofs „Rhönerinnerungen“ auch ein frühes Dokument zum Beleg der langen Praxis des sexuellen Missbrauchs innerhalb von Einrichtungen und durch Priester der katholischen Kirche, deren Aufarbeitung seit 2010 noch am Anfang steht.

 

Lebensstationen Gartenhofs

Kaspar Gartenhof 1912
Kaspar Gartenhof 1912

1883 – Kaspar Gartenhof wird am 27. Mai als zwölftes Kind seiner Eltern in Brückenau, Siebenbrückengasse, geboren.

1894 – sein Vater, der Schuster Oswald Gartenhof, verstirbt.

1894 – Gymnasiast in Münnerstadt

1903 – Abitur in Münnerstadt / Germanistikstudium in München

– Promotion / Lehrerausbildung in Würzburg

1912 – Heirat mit Ines Schmäling in Würzburg

1914/1915 – Lehrer in Ludwigshafen

1917 – Lehrer in Nürnberg

1917 – Geburt seiner Tochter Martha

– Lehrer in Wasserburg

1931 – 1948  Studienprofessor für die Fächer Deutsch, Geschichte und Geographie an der Oberrealschule Würzburg

1942 – Seine Tochter Dr. med. Martha Gartenhof kommt beim Skilaufen im Harz ums Leben

1948 – Pensionierung

1952 – am 3. November verstirbt Kaspar Gartenhof in Würzburg