Das Jahr neigt sich dem Ende. Diese Seite ist noch längst nicht am Ende. Manches konnte ich in diesem Jahr zusammentragen und danke für alle Hinweise, die ich bekommen habe. Besonders habe ich mich über ein Bild gefreut, das mir Jürgen Hüfner zukommen ließ. Das Porträt stellt mir nun beim langen Blick in die Familiengeschichte ein bislang unbekanntes Gesicht vor Augen.
Joseph Johann Dunkel (1824 – 1902), mein Ururgroßvater zieht mich mit jeder Seite, die ich neu von ihm erfahre und entdecke, mehr in seinen Bann. Begründer des Stammsitzes in der Schneidmühle, Autodidakt, Papiermacher, Müller, Händler, Techniker, Unternehmer, Dichter, Freigeist, Altkatholik, Eroberer der Mettermich, Aufforster, Waldliebhaber, Hochradfahrer, Zeitungsleser, Pfeifenraucher, wacher Zeitgenosse…
In seiner Schneidmühle baute sich Joseph Dunkel selbst ein Wasserrad aus Holz, das jahrzehntelang seinen Dienst tat. Bei seiner umfangreichen Tätigkeit half ihm die unbeirrbar eingehaltene gleichmäßige Arbeitszeit. Als Frühaufsteher begann er bereits um 4.00 Uhr mit seiner Tätigkeit und beendete diese pünktlich um 16.00 Uhr. Der frühe Feierabend ließ ihm dann noch Zeit für eine Lesestunde oder für ein Gedicht, das ihm beim Takt der Säge eingefallen war. An bestimmten Tagen ging er in korrekter Kleidung zu seinem Stammtisch. Dort warteten bereits der Apotheker, der Amtsrichter, der Lehrer und manchmal auch der Pfarrer auf ihn.
Leider gingen viele seiner Gedichte und Niederschriften im Laufe der Zeit und durch Generationswechsel verloren. Es lag auch nicht in der Absicht des „Dichtermüllers“, wie er auch genannt wurde, eine Sammlung anzulegen. Ihm ging es vielmehr um die Freude an der Ausdrucksweise, die er sich selbst mit Neigung aber auch mit viel Fleiß beibrachte. Seinen Rhönern begegnete er mit einfachen Versen. Der neu begründete „Brückenauer Anzeiger“ veröffentlichte das eine oder andere Gedicht von ihm, das nie namentlich, sondern immer mit den Zeichen * * unterschrieben waren.
Die Linde, die er vor der Schneidmühle pflanzte und die 1977 hundertjährig zu Fall gebracht wurde, setzte er auch dichterisch vor seine „Hütte“:
Am Hüttchen klein steht groß ein Baum,
vor welchem du siehst das Hüttchen kaum,
schützt gegen Sonne, Kält und Wind
all, die darin versammelt sind.
Solang die Linde bleibet stehn,
wird mein Geschlecht zur Hütte gehn.
Den lieben Herrgott laß ich walten,
der Lind und Leute kann erhalten.
* *
Als er die Mühle seinem Sohn übergeben hatte, weilte er kurze Zeit bei der Tochter in Bamberg. Lange hielt er es dort nicht aus. Seine Sehnsucht nach der Rhön kleidete er in ein „Klagelied der Ofenbank“:
So einsam und verlassen
steh‘ ich so manchmal hier,
ich kann mich kaum noch fassen,
verzweifeln könnt‘ ich schier.
Wenn ich der früheren Zeit gedenk‘
…
als Pfeife rauchend (er) auf mir saß,
im Plaudern oft das Zieh’n vergaß.
Wie war es da so wunderschön,
das war der Alte von der Rhön.
… so denk ich oft in harter Pein
s‘ kann nicht von langer Dauer sein.
Dann wird es wieder (glatt) und klar,
so wie’s vergang’ner Zeiten war.
Wenn Er nur erst mal wiederkäm‘,
der Alte von der Rhön-.
… Verzage nicht! Schau nur die Sterne an,
voll Frieden ziehn sie ihre ferne Bahn,
es bricht, durch dunkle Nacht,
noch immer neues Licht“
So will ich mich denn fassen – nicht mehr klagen,
voll Hoffnung will ich in die Zukunft sehen,
erst wenn im Wald die Vögel singen, schlagen,
dann wird vom Stadtgetümmel, er wieder zu uns gehen.
Denn er liebt die Natur, und seine Mettermich
und ehe er zu ihr geht, wird er besuchen mich.
… Wenn ich bitten darf, bleib nicht so lang,
besten Gruß, die alte Ofenbank!
* *