Mein Vater Edgar G. Kuther hat 1982 einen Grundriss der Schneidmühle gezeichnet, der einen Eindruck zur Lage der gewerblichen und privaten Räume vermittelt.
Zehntscheune mit Lager und Keller
Gut zu erkennen ist das Hauptgebäude der Schneidmühle, das bei der Errichtung im 16. Jahrhundert ausschließlich als Zehntscheune des Gutshofes konzipiert. Mit 35 Meter Länge, 11,5 Meter Breite und fast 11 Meter Firsthöhe entsprach das Gebäude der fränkischen Bauart mit breit ausladendem Satteldach. Nur die in südlicher Gegend anzutreffenden Dachgauben fehlten – sicherlich wegen der durch die rauen Witterungsverhältnisse in der Rhön bedingten Reparaturanfälligkeit.
Der Schlossneubau am linken, südlichen Sinnufer um 1650 brachte einige Änderungen für den seither hermetisch abgeschlossenen Gutshof mit sich, als dessen Zehntscheune die Schneidmühle ursprünglich gebaut worden war. Der Einbau eines Triebwerkes unter und innerhalb der der Sinn zugekehrten Gebäudestirnseite (im Plan links) bot sich im Zusammenhang der Sinnregulierung im Bereich der Zufahrt zum neuen Schloss an. Die Neubauten des Schlosses hatten auch genügend, vielleicht besseren Lagerraum, sodass die Nutzung als Zehntscheune an Bedeutung verlor.
Die Gewölbe und die Fundamentmauern in der Wasserradkammer wurden wohl mit den Sandsteinblöcken der ehemaligen Wehranlage der Talburg, die waffentechnisch bedeutungslos geworden war, erstellt. Gleiches gilt auch für die noch heute sichtbare Uferbewehrung am Sinnübergang und die Einfassung des neugeschaffenen Mühlgrabens zur Zehntscheune. Dass die Wehranlage selbst und Teile der alten Talburg als Baumaterial verwendet wurden, lässt sich auch an den Steinen mit Schießscharten, die in der Friedhofsmauer eingelassen sind, erahnen.
Pochkammer für die benachbarte Krugbäckerei
Mit der Ingangsetzung des Triebwerkes tritt die ehemalige Zehntscheune für einige Jahrzehnte als Ölmühle in Erscheinung. Nach der Übernahme der direkten Verwaltung des Gutshofes durch die Abtei Fulda im Jahre 1692, fanden sich die Krugbäcker am Ort ein. Die Ölmühle wandelte sich jetzt zu einem Pochwerk für Tonerde. Die Pochkammer ist auf dem Plan oben als Anbau längs des Mühlgrabens zu sehen. Die Ausrüstung als Pochwerk erlaubte auch die gleichzeitige Benutzung für die Papiererzeugung damaliger Fertigung. Die sogenannte Insel zwischen Mühlgraben und der Sinn bei der Schneidmühle erhielt damals auch die Bezeichnung „Bleichinsel“.
Schneidstraße parallel zum Mühlgraben
Der nächste Entwicklungsschritt erfolgte etwa um das Jahr 1760. Der Auf- und Ausbau des von Seiten Fuldaer Landesherren stetig geförderten Kurbades Brückenau brachte eine enorme Bautätigkeit mit sich. Nichts lag näher, als dass sich die Verwaltung eigener Zulieferbetriebe bediente. Die Mühle erhielt die Ausrüstung einer mechanischen Säge, ein Einfachgatter, und dieser Umstand führte zur Namensgebung als „Schneid“-Mühle, hergeleitet vom Tätigkeitsmerkmal. Die „Schneidstraße“ mit dem auf dem Fundament aufsitzenden Gatter ist mit grüner Farbe auf dem Plan eingezeichnet. Sie behielt ihre Lage über 200 Jahre. Lediglich die vorgebaute Holzhalle wurde 1936 in Richtung Straße erweitert.
Den größten Raum auf dem Grundriss nimmt die eigentliche Mahl-Mühle ein, etwa links der Mitte. Direkt dem Raum vorgelagert befand sich der später betonierte Platz zur Mehlverladung.
Kuhstall und Werkhalle
Ganz rechts auf dem Plan sind Vorratskeller und Kuhstall zu sehen. Das aus der Zehntzeit stammende Kellergewölbe unter der westlichen Stirnseite des Gebäudes wurde vom Schneidmüller Luitpold Dunkel um 1900 zu einem Viehstall für sechs Kühe umfunktioniert und die Futterzufuhr von dem darüber liegenden Heuboden mechanisiert. Er nahm auch die optisch einschneidendste Veränderung an der Form der alten Zentscheune vor: das lange Satteldach wurde durch eine große, repräsentative Quergaube im Mittelteil des Gebäudes durchbrochen und prägte ab 1905 das Bild der Schneidmühle. Ebenfalls veränderte der Anbau einer Werkhalle an der Sinnseite die äußere Silhouette. Bis 1915 hatte darin die Fertigung von Zement-Kunststein-Erzeugnissen von einem Vertragspartner ihren Raum.
Wohnzimmer und Büro
Weiter sind auf der rechten Seite des Grundrisses die privaten Räume zu sehen: Küche, Wohnzimmer, Zimmer und Büro. In den Etagen darüber ebenfalls Zimmer (im Plan rot eingezeichnet). Im Wohnzimmer wurden die Feste begangen. Auf dem einzigen erhaltenen Bild von 1920 ist es die Hochzeit von Carola Dunkel mit Eugen Kuther.
Das nebenan liegende Büro war die Schaltstelle des unternehmerischen und dichterischen Schaffens von Luitpold Dunkel, bis er 1935 verstarb. Von da an wollten die Nachkommen im Hause, dass das Zimmer verschlossen bleibt und nicht mehr genutzt wird. Als Junge habe ich 1975 selbst erlebt, als es bei der Räumung erstmals nach 40 Jahren geöffnet wurde.
Toiletten
Die im Plan oben als Lager und Badezimmer bezeichneten Räume wurden Anfang April 1945 zerstört, als Teile einer Waffen-SS-Division sich in Römershag festsetzten und eine unsinnige Verteidigungsphase begannen. Die inzwischen aus der Höhe Roßbach-Weißenbrunn eingetroffene amerikanische Artillerie begann mit materieller Überlegenheit den Widerstand in und um Römershag zu brechen. Die SS-Truppen bereiteten die Sprengung der Sinnbrücke vor. Die Schneidmühle lag genau in der Schusslinie der Artilleriegeschütze und wurde bereits bei der ersten Salve getroffen. Weitere Anschläge folgten und richteten erheblichen Schaden im Dachgebälk und am Mauerwerk an. Der rückseitige Anbau zum Wohngebäude mit den Toiletten wurde ebenso wie der danebenliegende Lagerraum zusammengeschossen. Eine Granate schlug im Sägewerk ein und beschädigte die Wasserkraftanlage. Eine weitere durchschlug den Heuboden und explodierte im Futterschacht des Stalles. Die Kriegsschäden am Gebäude und an den Betriebseinrichtungen konnten nur teilweise und auch nur notdürftig behoben werden. Der einzig hinterbliebene Schneidmüller Erwin Dunkel hatte unter Einbeziehung eines Bauingenieurs aus Breitenbach ein Baugesuch zur Instandsetzung gestellt, welches vom Landratsamt 1948 zurückgestellt wurde. Es fehlte in der allgemeinen Zwangsbewirtschaftung an Material und Ware. Ich erinnere mich, dass auch um 1970 der Toilettengang beim Besuch in der Schneidmühle durchs Freie führte.