Verschwundene Geschichte der Schneidmühle sichtbar machen

Leserbeitrag auf www.infranken.de am 1. Juni 2017 anlässlich des Deutschen Mühlentags am Pfingstmontag, 5. Juni 2017.  – Vor vierzig Jahren verschwand in Römershag, das früher bis zu fünf Mühlen kannte, eine der letzten Mühlen. Die „Schneidmühle“ wurde im Juli 1977 von der Stadt Bad Brückenau abgerissen, um die Zufahrt zum geplanten Sport- und Schulzentrum im Rahmen der Hochwasserregulierung der Sinn anzulegen…

Blick vom noch erhaltenen Steg über die Sinn auf die Mühle

Vor vierzig Jahren verschwand in Römershag, das früher bis zu fünf Mühlen kannte, eine der letzten Mühlen. Die „Schneidmühle“ wurde im Juli 1977 von der Stadt Bad Brückenau abgerissen, um die Zufahrt zum geplanten Sport- und Schulzentrum im Rahmen der Hochwasserregulierung der Sinn anzulegen. Auf der Grundlage der Niederschriften seines Vaters versucht Ulrich Kuther, Enkel der aus der Schneidmühle stammenden Carola Kuther, geb. Dunkel (1899-1990) die Mühle im Internet wieder sichtbar zu machen. Dazu sichtet er vorhandene Bilder und legt schrittweise die Daten der Mühlengeschichte nach den vorhandenen Dokumenten vor.

Gutshof der Talburg
Die Schneidmühle muss im 16. Jahrhundert als Zehntscheune des zur damaligen Talburg gehörenden Gutshofes auf der rechten Sinnseite entstanden sein. Damit zählte sie zum ältesten Bestand des alten Ortskerns. Das Hauptgebäude der Schneidmühle war bei der Errichtung ausschließlich als Zehntscheune des Gutshofes konzipiert. Mit 35 Meter Länge, 11,5 Meter Breite und fast 11 Meter Firsthöhe entsprach diese der fränkischen Bauart mit breit ausladendem Satteldach. Nur die in südlicher Gegend anzutreffenden Dachgauben fehlten; sicherlich wegen der durch die rauen Witterungsverhältnisse bedingten Reparaturanfälligkeit.

Von der Ölmühle zur Poch- und Papiermühle
Zur Mühle wurde das Gebäude um 1650 während des Baus des neuen barocken Schlosses auf dem linken Sinnufer. Der Einbau eines Triebwerkes unter und innerhalb der der Sinn zugekehrten Gebäudestirnseite bot sich im Zusammenhang der Sinnregulierung im Bereich der Zufahrt zum neuen Schloss an. Die Gewölbe und die Fundamentmauern in der Wasserradkammer wurden wohl mit den Sandsteinblöcken der Wehranlage, die waffentechnisch bedeutungslos geworden war, erstellt. Gleiches gilt für die Uferbewehrung am Sinnübergang und die Einfassung des neugeschaffenen Mühlgrabens zur Zehntscheune. So lassen auch die Steine mit Schießscharten, die in der Friedhofsmauer eingelassen sind, den Schluss zu, dass die Wehranlage selbst und Teile der alten Talburg als Baumaterial verwendet wurden. Mit der Ingangsetzung des Triebwerkes tritt die ehemalige Zehntscheune für einige Jahrzehnte als Ölmühle in Erscheinung. Nach der Übernahme der direkten Verwaltung des Gutshofes durch die Abtei Fulda im Jahre 1692 wurden die Krugbäcker am Ort angesiedelt. Die Ölmühle wandelte sich dabei zu einem Pochwerk für Tonerde. Diese Ausrüstung erlaubte schließlich auch die gleichzeitige Benutzung für die Papiererzeugung damaliger Fertigung.

Der Name der Schneidmühle
Die Schneidmühle hat ihren Namen nach ihrem langjährigen Hauptzweck als wassergetriebenes Sägewerk. Die Mühle erhielt 1760 die Ausrüstung einer mechanischen Säge, ein Einfachgatter. Diese Nutzung führte zu ihrer Namensgebung. Ungefähr seit dem Jahr 1800, als Hausnummern auch in kleineren Ortschaften eingeführt wurden, führte die Schneidmühle die Nr. 10. Im Besitz der Familie Dunkel, die ursprünglich aus der oberen Mühle, einer Papiermühle stammten, war die Schneidmühle von 1847 bis 1974. Als Schneidmühle – seit etwa 1890 mit hölzernem Vollgatter, seit etwa 1930 mit erweitertem Sägewerk – arbeitete die Mühle bis etwa 1960, als der letzte Schneidmüller, Erwin Dunkel (1904 – 1972) zur Existenzsicherung ein Arbeitsverhältnis in der nahen Metallfabrik übernahm.

Das Elektrizitätswerk
Ihre wirtschaftliche Blütezeit hatte die Schneidmühle mit verschiedenen Gewerken in der Zeit von Luitpold Dunkel (1864 – 1935). Er verstand es, die vorhandene Mühlentechnik mit technischen Neuerungen seiner Zeit geschickt zu verbinden. Ältere Römershager können sich an die Stromversorgung durch die Schneidmühle erinnern. Das „Elektrizitätswerk Schneidmühle Römershag“ lieferte Strom mit 110 Volt-Spannung von 1912 bis 1942. Wenn der Rechen im Mühlgraben verstopft war, begannen die Lampen zu flackern. Luitpold Dunkel versorgte die Römershager nicht nur mit Strom und Wasser, wozu er 1905 die Wasserleitung bauen ließ. Er versorgte den Chor des Turnvereins auch mit Heimatgedichten, die nach Vertonung durch L. Bott gesungen wurden. Die Begabung zum „Dichtermüller“ hatte er von seinem Vater Joseph Dunkel (1824 – 1902) geerbt, der der „Alte vom Berg“ genannt wurde wegen seiner täglichen Gänge zur Mettermich.